Die FDP darf ungestört feiern

In der deutschen Geschichte seit 1948 war die FDP an vielen Koalitionen beteiligt. Das erklärte der Historiker Ewald Grothe beim Neujahrsempfang des Kreisverbands in der Stadthalle Tuttlingen – Anlass war das 75-jährige Bestehen der Partei.  (Foto: Dieter Kleibauer)
In der deutschen Geschichte seit 1948 war die FDP an vielen Koalitionen beteiligt. Das erklärte der Historiker Ewald Grothe beim Neujahrsempfang des Kreisverbands in der Stadthalle Tuttlingen – Anlass war das 75-jährige Bestehen der Partei.  (Foto: Dieter Kleibauer)

Die Bauern haben der Ampelpartei FDP deren Geburtstagsfeier nicht verderben wollen - die Liberalen im Landkreis Tuttlingen haben im Rahmen ihres Neujahrsempfangs das 75-jährige Bestehen ihrer Partei gefeiert. Zwar hatten Wut-Landwirte ihr Kommen mit Traktoren und Plakaten angekündigt, die auf dem Platz vor der Stadthalle Rabatz machen sollen, aber ein Gespräch von Stadtrat Hans-Peter Bensch mit seinem Ratskollegen und Bauernsprecher Ulrich Diener (CDU) führte zur Absage der Demonstration.

Der womöglich lautstarke Protest hätte gleich zwei Veranstaltungen beeinträchtigt: die der FDP, die im kleinen Saal feierte, und die der „12 Tenöre“, die im großen Haus ihre Arien schmetterten. Man kennt sich, man hilft sich, Landwirte können auch lammfromm sein.

Und so waren hier nur die Hits des stimmgewaltigen Dutzends zu hören, dort die Lieder des Möhringer Marinechors.

In den Reden erinnerten die FDP-Mitglieder an die Geschichte ihrer Partei, die im Dezember 1948 im nordbadischen Heppenheim gegründet worden ist. Als Referent erinnerte Ewald Grothe an die Historie, Archivleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung. In seiner Bild-und-Wort-Collage tauchten die großen Figuren auf, die Heuss, Scheel und Genscher, aber auch so mancher Liberale, den man schier vergessen hatte: Philipp Rösler? Silvana Koch-Mehrin?

Grothe schilderte Theodor Heuss als Politiker, dessen Charisma ihm in den Diskussionen ums Grundgesetz mehr Einfluss zusicherte die Zahl der FDP-Mitglieder es gestattet hätte. Der Historiker und Jurist hatte aber auch regionale Aspekte in seinen Vortrag eingearbeitet, erinnerte an hiesige FDP-Politiker in Land- und Bundestag, an Leute wie den Tuttlinger Ernst Kinkelin oder den Trossinger Hans Lenz, an Ernst Pfister oder den langjährigen Parlamentarischen Staatssekretär und derzeitigen Ehrenvorsitzenden Ernst Burgbacher.

Grothe hat in seinem Archiv zudem ein Liederbuch der „Freiheitlichen Volkspartei“ für ein „Sängerfest Aldingen-Spaichingen“ 1910 gefunden („Preis 10 Pfg.“), aber auch ein nicht so rühmliches Plakat, das schon 1949 „Schluss mit der Entnazifizierung“ forderte.

Der Bauernprotest war abgewendet worden, und in seiner Eigenschaft als Kreisvorsitzender nahm Hans-Peter Bensch die Ampel und die FDP-Beteiligung daran in Schutz: Er dachte zurück, dass die CDU als anderer möglicher Partner nach der verlorenen Wahl 2021 am Boden gelegen habe und nicht regierungsfähig gewesen sei.

Zudem warnte er die Bauern vor „ultrarechten Trittbrettfahrern“ bei ihren Demos. Und er wies darauf hin, dass die Landwirtschaft nicht erst durch die Ampel mit Problemen kämpfe: Erst ab einer Hofgröße von 200 Hektar rechne sich ein Betrieb. In Baden-Württemberg liege diese Marke bei durchschnittlich 63 Hektar. 1)

https://www.schwaebische.de/regional/tuttlingen/tuttlingenFALSCH/die-fdp-darf-ungestoert-feiern-2187675

1) Anmerkung Hans-Peter Bensch: Im letzten Satz des Artikels muss es heißen: …liege diese Marke bei durchschnittlich 36 Hektar.“

Denn 63 Hektar beträgt die durchschnittliche landwirtschaftliche Fläche pro Betrieb in ganz Deutschland.